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Ratgeber für Fachleute zum Verfassen eines Übersetzungs-RFP

Geschrieben von Theresa Wand | 15.05.2019 13:22:00

Die Wahl eines Übersetzungsanbieters ist keine leichte Aufgabe. Zunächst einmal müssen Sie entscheiden, ob Sie selbständige Übersetzer, interne Übersetzer oder externe Sprachdienstleister (oder eine Mischung daraus) in Anspruch nehmen möchten. 

Angenommen, Sie haben sich für externe Übersetzungsanbieter entschieden. Mit welchen genau werden Sie dann aber zusammenarbeiten? Es gibt Zehntausende von Sprachdienstleistern, von kleinen Zwei-Personen-Betrieben (SLV – Single Language Vendor), die nur auf eine Sprachkombinationen spezialisiert sind, bis hin zu multinationalen Multi Language Vendors (MLV) mit Tausenden von Mitarbeitern, die alle Sprachkombinationen abdecken und ein Spektrum von Dienstleistungen mit Mehrwert anbieten. 

Eine gute Möglichkeit, die Kandidaten einzugrenzen und die besten Übersetzungsdienstleister für Ihr Unternehmen auszuwählen, ist die Durchführung eines Request for Proposal for translation (RFP – Aufforderung zur Angebotsabgabe). 

Als Starthilfe haben wir Ihnen eine Basisvorlage für Übersetzungs-RFP zusammengestellt inklusive einiger Fragen, die Sie je nach Ihren Anforderungen verwenden oder weglassen können. 

 

 

Ist ein Übersetzungs-RFP Pflicht? 

Es ist nicht immer unbedingt notwendig, einen umfangreichen RFP für Übersetzungsdienstleistungen durchzuführen. Ein paar zielgerichtete Fragen und eine Probeübersetzung können manchmal schon bei der Wahl eines Übersetzungsdienstleisters reichen. 

Es gibt jedoch einige Situationen, bei denen sich ein Übersetzungs-RFP anbietet: 

  • Sie übersetzen bereits seit mehreren Jahren, doch haben noch keinen einheitlichen Standardprozess zur Optimierung von Übersetzungskosten und Beobachtung von Übersetzungsdienstleistern festgelegt. 
  • Sie sind mit der aktuellen Lage in Bezug auf Ihre Übersetzungen unzufrieden. Dies könnte unter anderem daran liegen:  
  • Unzureichende Qualität der Übersetzungen
  • Schlechte Servicequalität (Kommunikation und Bearbeitungszeiten)
  • Unausgereifte Übersetzungsprozesse und Technologie
  • Unvollständiges Serviceangebot
  • Schwindelerregende Übersetzungskoste
  • Sie haben ein anstehendes Großprojekt, dessen Bearbeitung eine gewisse Erfahrung und Kompetenz voraussetzt. 

 

Übersetzungs-RFI (Request for Information – Einholung von Informationen) 

Je nach Ihrer Situation könnte sich eine RFI-Phase vor dem Übersetzungs-RFP für Sie lohnen. Ein RFI im Vorfeld bietet sich für folgende Fälle an: 

  • Sie haben noch keine engere Vorauswahl für Übersetzungsanbieter getroffen 
  • Sie haben noch keine klare Vorstellung davon, wonach Sie eigentlich suchen 

Ein RFI sollte einige allgemein gehaltene, offene Fragen enthalten, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Das Ziel eines RFI ist es, Informationen einzuholen, um interessante Übersetzungsanbieter in die nächste Runde zu schicken. Wenn Sie zu viele Fragen stellen, riskieren Sie, keine oder widerwillige Antworten von Übersetzungsdienstleistern zu erhalten. Außerdem verlieren Sie beim Durchblättern der vielen Antworten jede Menge Zeit. Vergessen Sie nicht, Hintergrundinformationen und Ihre Anforderungen anzugeben. Auf diese Weise erhalten Sie eher verwertbare Antworten. 

 

Übersetzungs-RFP – Planung und Umsetzung

Ganz egal, aus welchem Grund Sie einen Übersetzungs-RFP durchführen möchten, Sie sollten im Voraus ein wenig Zeit in die Planung des RFP investieren, um ein besser verwertbares Ergebnis zu erzielen. 

Format und Weitergabe des Übersetzungs-RFP 

Zunächst müssen Sie entscheiden, wie Sie den RFP veröffentlichen und die Antworten erfassen möchten. Ihnen stehen hierfür mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, die alle ihre Vor- und Nachteile haben: 

  • RFP-Automatisierungssoftware: Größere Unternehmen haben höchstwahrscheinlich bereits elektronische Beschaffungssoftware zur Verwaltung von RFP zur Verfügung. Der Vorteil hierbei ist die leichtere Einrichtung des Prozesses. Bedenken Sie allerdings, dass Auftragsauktionssysteme ein Hindernis bei der Bewertung von Übersetzungsdienstleistungen darstellen können, da sie nicht die Variablen berücksichtigen, die im Abschnitt „Preise“ weiter unten beschrieben werden. 
  • Cloud-basierte Umfragetools: Alternativ können Sie für den RFP ein Cloud-basiertes Umfragetool wie SurveyMonkey verwenden. Der Vorteil ist, dass Sie genau festlegen können, wie die Fragen beantwortet werden (durch Felder mit Pflichtfragen). Sie können außerdem Berichtsfunktionen nutzen, mit denen Sie die Antworten leicht filtern und auswerten können. Falls Sie sich für diese Lösung entscheiden, sollten Sie jedoch zusätzlich die RFP-Fragen zum Herunterladen anbieten, sodass die Übersetzungsanbieter den Fragebogen offline ausfüllen können. 
  • Excel: Excel-Kalkulationsblätter werden oft zum Sammeln von Antworten verwendet, da sie ein gebräuchliches Format sind, und die Antworten leicht gefiltert und verglichen werden können. Allerdings ist das Ausfüllen für die Unternehmen nicht besonders praktisch und es können sich Formelfehler in die Zellen einschleichen, Arbeitsblätter können verlorengehen usw. 
  • Word: Viele Unternehmen bieten RFP im PDF-Format an und bitten Übersetzungsdienstleister um Antworten im Word-Format. Diese Variante ist nützlich, wenn Sie nach offenen oder kreativen Antworten suchen, doch dieses Verfahren sollte nur dann gewählt werden, wenn Sie Ihren RFP an eine Handvoll von Anbietern senden, da der Aufwand zum Durchlesen und Auswerten der Ergebnisse andernfalls extrem hoch ist. 

Sie müssen außerdem entscheiden, wie Sie die Fragen verwalten möchten. Haben Sie aktuell ein System zur Verfügung, dass Sie für die Fragenverwaltung verwenden könnten? Möchten Sie Fragen per E-Mail beantworten? Falls ja, sollten Sie vielleicht eine bestimmte E-Mail-Adresse oder einen Ordner speziell für den RFP anlegen. Zum Schluss sollten Sie festlegen, ob Ihr RFP nur auf Einladung zu beantworten ist oder allen qualifizierten Anbietern offenstehen soll. Sie sollten dann eine Frist zum Antworten für die Interessenten bestimmen. 

Zeitplan für Übersetzungs-RFP 

Ein RFP-Prozess ist keine Gelegenheit, um potentiell interessante Übersetzungsagenturen unter Druck zu setzen. Beachten Sie, dass ein gut durchgeplanter RFP-Prozess etwa 6-10 Wochen in Anspruch nehmen wird (davon abhängig, ob eine RFI-Phase vorgesehen ist). 

  • 1. Woche - Veröffentlichung des RFI 
  • 2. Woche - Frist zum Antworten 
  • 3. Woche - Auswertung der Antworten des RFI 
  • 4. Woche - Veröffentlichung des RFP
  • 5. Woche - Frist zum Einreichen von Fragen für mögliche Übersetzungsanbieter
  • 6. Woche - Antworten an alle teilnehmenden Übersetzungslieferanten
  • 7. Woche - Frist zum Einsenden von Vorschlägen 
  • 8. Woche - Auswertung der Vorschläge 
  • 9. Woche - Einladung zur Endpräsentation
  • 10. Woche - Finale Entscheidung 

Auswahlkriterien des Übersetzungs-RFP 

Vor der Durchführung eines Übersetzungs-RFP ist es eine gute Idee, Ihre Prioritäten und Vorlieben abzustecken, um das Wesentliche nicht aus den Augen zu verlieren. Es ist außerdem ratsam, einen Berichtsbogen für Übersetzungsdienstleister anzulegen, um die Antworten leicht und objektiv auszuwerten.

 

Wichtige Elemente des Übersetzungs-RFP

Geben Sie so viele Informationen über Ihr Unternehmen und Ihre Anforderungen wie möglich an. Nennen Sie außerdem den genauen Grund, warum Sie einen RFP für Übersetzungsdienstleistungen durchführen, sowie Ihre Übersetzungsanforderungen: 

  • Was fehlt Ihnen in Ihrer aktuellen Übersetzungsinfrastruktur? 
  • Was sind Ihre Hauptprobleme und -herausforderungen? 
  • Wie sehen Ihre internen Prozesse und Anforderungen aus? 
  • Mit welcher Technologie arbeiten Sie? 
  • Wie sind das Volumen und die Häufigkeit der Übersetzungsanfragen?
  • Welche Fachgebiete, Formate und Textarten decken Sie ab? 
  • Welche Sprachkombinationen benötigen Sie (einschließlich regionaler Varianten)? 

Indem Sie Ihre Bedürfnisse und Anforderungen klar beschreiben, erhöhen Sie die Wahrscheinlichkeit, passende Angebote für Ihre Situation im Speziellen zu erhalten. 

Wichtige Fragen 

  • Allgemeine Informationen 

Neben allgemeinen Kontaktdaten sollten Sie Fragen zu folgenden Themen hinzufügen: 

  • Unternehmensgröße - sowohl nach Umsatz als auch nach Anzahl der vollbeschäftigten Mitarbeiter aufgeschlüsselt nach Rolle 
  • Stellen Sie Fragen zu den wichtigsten Kunden des Anbieters. Dadurch bekommen Sie einen Einblick, wie man sich Ihnen gegenüber verhalten wird (VIP-Kunde vs. kleinerer Kunde).
  • Erkundigen Sie sich nach der Fluktuationsrate der wichtigsten Mitarbeiter: Erfolgreiche Geschäftsbeziehungen zu Übersetzungsanbietern hängen häufig von der persönlichen, über die Jahre gewachsenen Beziehung zu den wichtigsten Kontakten ab. Deshalb ist es von Interesse, ob diese Kontakte voraussichtlich dieselben bleiben oder ob es eine hohe Fluktuation gibt. 
  • Unternehmensstandort(e) - Dadurch können Sie ermitteln, ob das Unternehmen eine Niederlassung in Ihrer Nähe hat. Wenn ein Übersetzungsdienstleister Niederlassungen an strategisch wichtigen Standorten hat, sagt das auch etwas über seine Stärken und Schwächen in Bezug auf Sprachkombinationen und Fähigkeiten aus. 
  • Organisation und Management des Unternehmens - Wenn Sie verstehen, wie ein Unternehmen organisiert und geführt wird, bekommen Sie einen Eindruck von der Unternehmenskultur. 

Kundenreferenzen und Fallstudien 

Eine der besten Möglichkeiten, um herauszufinden, ob der Übersetzungsanbieter bereits Erfahrung auf Ihrem Fachgebiet hat, ist es, nach Kundenreferenzen zu fragen. 

  • Bitten Sie um genaue Angaben zu den übersetzten Mengen, Sprachkombinationen und Textsorten. 
  • Anhand von Fallstudien können Sie sehen, wie sich Übersetzungsanbieter bemüht haben, ihren Kunden innovative Lösungen zur Problembewältigung zur Verfügung zu stellen. 

Technologie 

Sie müssen sichergehen können, dass Ihr Übersetzungsanbieter über eine geeignete technologische Ausstattung verfügt, um mit Ihren Dateien richtig zu arbeiten und flüssige Arbeitsabläufe zu entwickeln, die mit Ihrer technischen Infrastruktur kompatibel sind. 

  • Holen Sie Informationen zu den verwendeten Sprachtechnologietools ein und versuchen Sie herauszufinden, ob der Anbieter lieber eigene Lösungen nutzt (dies könnte die Zusammenarbeit im Nachhinein erschweren) oder sich auch gerne an eine beliebige, auf dem Markt erhältliche Lösung anpasst. 
  • Erkundigen Sie sich über die Besitzverhältnisse und Wartung von Translation Memorys. Vergessen Sie nicht, dass Ihre mehrsprachigen Inhalte einen kostbaren Wert darstellen, der geschützt werden muss. 
  • Erkundigen Sie sich, welche Tools zur Arbeitsablaufverwaltung verwendet werden und welche Daten festgehalten werden. 
  • Falls Sie noch kein Übersetzungsmanagementsystem in Gebrauch haben, fragen Sie die Übersetzungsdienstleister, ob es ein Kundenportal gibt und wenn ja, welche Funktionen es beinhaltet. 

Qualität

Alle Übersetzungsanbieter werden Ihnen versichern, dass sie hochwertige Übersetzungen erstellen. Deshalb müssen Sie unbedingt die richtigen Fragen beim RFP stellen, um herauszufinden, ob ein bestimmter Anbieter Ihren Anforderungen besser entspricht als ein anderer. In den meisten Fällen hängen hochwertige Übersetzungen von soliden Übersetzungsprozessen ab, die manuelle und automatische Qualitätssicherungsprüfungen mit einem ausgezeichneten Lieferantenmanagement vereinen. Hier sind einige Tipps: 

  • Stellen Sie konkrete Fragen zu anerkannten Qualitätszertifizierungen wie ISO 17100 und ISO 9001. 
  • Fragen Sie nach den Ergebnissen von Kundenzufriedenheitsumfragen. 
  • Erkundigen Sie sich nach dem Umgang mit Nichtkonformitäten und danach, wie diese verfolgt werden. 

Projektmanagement und Lieferantenmanagement  

Das Projekt- und Lieferantenmanagement sind zwei sehr wichtige Abteilungen jedes Übersetzungsanbieters. Sie müssen daher sichergehen, dass die Mitarbeiter, die sich um Ihre Übersetzungen kümmern, kompetent sind. Bitten Sie um die Profile und/oder Lebensläufe der Projektmanager und Übersetzer, die mit Ihren Projekten betraut werden, und nach Informationen zu den Prozessen im Lieferantenmanagement. Wie nimmt der Übersetzungsdienstleister beispielsweise Kontakt zu neuen Freelancern auf, wie testet und beobachtet er sie? 

IT, Infrastruktur, Sicherheit und Datenschutz

Im Allgemeinen erhalten Übersetzungsanbieter große Mengen an vertraulichen Texten. Darum müssen Sie sicherstellen, dass der Anbieter die erforderlichen technischen und sicherheitsbezogenen Vorkehrungen getroffen hat, damit Daten nicht in falsche Hände gelangen können. Sie sollten sich bei Ihrem Übersetzungsanbieter über Sicherheitsvorkehrungen, Zugriffsrechte und Notfallmaßnahmen erkundigen.

Preise

Die Preisfindung gehört zu den kniffligsten Punkten eines RFP. Natürlich möchten Sie sicherstellen, das Beste für Ihr Geld zu erhalten, doch normalerweise kann man bei den Kosten ein wenig sparen. Andererseits gibt es allerdings auch Kosten, die man nicht auf Anhieb erkennt. Aus diesem Grund reicht die Frage nach dem Preis pro Wort normalerweise nicht aus, um die Gesamtkosten für einen Übersetzungsanbieter abzuschätzen. Sie müssen sich zumindest nach Preisnachlässen für die Verwendung von Translation Memorys erkundigen, außerdem nach DTP-KostenProjektmanagementkosten und nach allen weiteren Kosten für technischen Support und entsprechende Technologien wie lokale Online-Validierung oder Termdatenbanken. Fragen Sie am besten nach einem Standard-Kostenvoranschlag für ein typisches Projekt, um sich einen groben Überblick über die Gesamtkosten zu verschaffen. 

Arbeitspensum und Verfügbarkeit

Vielleicht haben Sie bestimmte Anforderungen bezüglich Bearbeitungszeiten und Verfügbarkeiten und Sie müssen sichergehen können, dass der Übersetzungsdienstleister Ihre Übersetzungsvolumen bewältigen kann. Hier sind einige Tipps für Sie, um herauszufinden, ob Ihr Übersetzungsanbieter Ihre Anforderungen erfüllen kann: 

  • Erkundigen Sie sich nach den durchschnittlichen Bearbeitungszeiten für typische Projekte
  • Ermitteln Sie, wie viele Übersetzer Ihres Fachgebiets für jede Sprachkombination verfügbar sind
  • Erkundigen Sie sich nach den Arbeits- und Öffnungszeiten 

Sehen Sie sich unsere kostenlose RFP-Vorlage an, um den Erfolg Ihres RFP sicherzustellen!