Software-Lokalisierung? Dieses Thema kann einschüchtern: Sie erwägen, Ihre Software an neue Zielmärkte anzupassen. Und schon drängen sich Fragen auf: Wo fange ich an? Welche Fehler gilt es zu vermeiden? Ist die Lokalisierung für mein Unternehmen überhaupt wichtig? Wir haben dazu Patrick Hampel und Giorgia Cazzola interviewt, Solutions Architects bei Memsource bzw. Acolad – denn sie haben die Antworten: Acolad als Sprachdienstleister für die Softwarelokalisierung benutzt Memsource täglich.
Das sind die wichtigsten Insights unserer Gesprächspartner:
Patrick Hampel, Memsource: „Einer der Hauptvorteile lokalisierter Software ist höhere Wettbewerbsfähigkeit. Konkurrenten, die in Ihren Zielmärkten zu Hause sind, bieten sicher bereits lokalisierte Produkte an. Nicht lokalisierte Produkte werden da oft ignoriert. Internationale Mitbewerber haben ihre Produkte hingegen möglicherweise noch nicht an den neuen Markt angepasst. Ihre Lokalisierung kann da für einen Wettbewerbsvorteil sorgen.
Lokalisierte Software sorgt außerdem für höhere Kundenzufriedenheit und -treue. Die meisten Anwender nutzen am liebsten Produkte in ihrer Sprache. Was gut lokalisiert ist, lässt sich leichter verwenden. Das stärkt das Vertrauen der Anwender – und davon profitiert nicht zuletzt Ihr Umsatz. Mit anderen Worten: Die Software-Lokalisierung finanziert sich selbst.
Heutzutage findet Software auf den unterschiedlichsten Wegen zu den Anwendern. Entwickler, die dafür Plattformen wie Google Play Store, Microsoft Store oder den Apple App Store nutzen, vergessen oft, wie viele Anwender sie dadurch erreichen können. Dabei kann man mit der Lokalisierung die eigene Sichtbarkeit auf fremden Märkten hier besonders leicht steigern – und so neue Kunden erreichen.“
Giorgia Cazzola, Acolad: „Beim Erschließen neuer Märkte sollte man sein Produkt zunächst an die jeweiligen Besonderheiten anpassen. Für echte Erfolgschancen ist das definitiv der erste Schritt: Sie zeigen Kompetenz, bauen Vertrauen auf und reagieren passgenau auf die Nachfrage.
Aus Anwender-Sicht stört es enorm, wenn man Software nicht in einer lokalisierten Version bekommt – oder nur schlecht übersetzt. Stellen Sie sich vor, Sie brauchen eine bestimmmte Menü-Option. Wenn die schlecht übersetzt ist, können Sie das Programm im besten Fall zwar trotzdem nutzen − mühsam wird es aber auf jeden Fall. Da beschleicht Sie schnell das Gefühl, das Produkt sei nicht wirklich für Sie entwickelt worden. Und das erzählen Sie weiter.
Den kulturellen Normen und sprachlichen Gepflogenheiten des Zielmarktes zu entsprechen: Damit spricht ein Produkt lokale Anwender gezielt an. In die Lokalisierung zu investieren, bedeutet schnelleren Markterfolg und eine breitere Kundenbasis – denn Lokalisierung stärkt das Vertrauen der Anwender in Ihre Marke.“
Patrick Hampel: „Es gibt den weit verbreiteten Irrglauben, Lokalisierung und Übersetzung seien ein und dasselbe. Das Übersetzen ist ein wichtiger Teil des Lokalisierungs-Prozesses; zu dem gehört aber viel mehr.
Viel Vorarbeit ist wichtig, bevor sich die Übersetzer ans Werk machen. Anpassungen an unterschiedliche Zeit- und Datumsformate gehören dazu; ein weiteres Beispiel: Die Software muss mit nicht-lateinischer Schrift klarkommen, etwa Arabisch oder Hebräisch. Die Schreibrichtung läuft dort von rechts nach links. Das führt zu vielfältigen Layout-Problemen, wenn die Software nicht entsprechend vorbereitet ist. Manchmal erscheint der Content dann überhaupt nicht.
Und wenn die Übersetzer ihre Arbeit getan haben, kommt der nächste Schritt: Mehrsprachige Korrekturleser überprüfen die Übersetzung, bevor sie endgültig in die Software eingepflegt wird. Die so lokalisierte Version durchläuft schließlich Tests, um etwaige Probleme auszuschließen. Schließlich könnte eine Schaltfläche für die übersetzte Beschriftung zu klein sein. Oder Text für ein aufgehendes Fenster fehlen, weil die zugehörige Lokalisierungs-Datei nicht vorhanden ist. Diese Probleme wären für Endanwender verwirrend und frustrierend, lassen sich aber in der Testphase leicht erkennen und beheben.“
Giorgia Cazzola: „Alles beginnt damit, dass ein Lokalisierungs-Team zusammengestellt wird. Beide Seiten, Kunde und Sprachdienstleister, sollten darin vertreten sein. Im ersten Schritt extrahiert das Team den zu übersetzenden Content und stellt die Ressourcen zusammen. Dazu gehören auch ein Style-Guide und Glossare – für eine wirklich konsistente Lokalisierung. Das erspart langfristig eine Menge Ärger!
Frühe Testläufe in einer lokalisierungsspezifischen Testumgebung zeigen, ob das Produkt für die Lokalisierung bereit ist. Dabei hilft Pseudo-Lokalisierung: Dummy-Texte fördern Längenüberschreitungen – so genannte "hard-coded strings", die sich kaum ändern lassen – und andere Stolperfallen zu Tage. Das ist wichtig, um Probleme an der Wurzel zu packen!
Nach der eigentlichen Lokalisierung in die Zielsprachen (inklusive Grafiken!) stellen Tests und Bug-Fixes auf den verschiedensten Ebenen Spitzenqualität sicher. Dazu gehört natürlich auch die muttersprachliche Überprüfung durch entsprechende linguistische Experten, zum Beispiel auf Genauigkeit, Sprachqualität, Terminologie − und ob das Branding der Marke konsequent beachtet wurde. Nach einem abschließenden Funktionstest der Zielversionen kann die Software schließlich freigegeben werden. Für eine konstant hohe Qualität ist ein gutes Management eventueller Rückfragen unerlässlich – auch, um mögliche Unklarheiten zu beseitigen.“
Patrick Hampel: „Einer der bestmöglichen ersten Schritte für eine erfolgreiche und problemlose Lokalisierung ist die Internationalisierung, oft abgekürzt mit i18n. Dabei wird Software für den internationalen Einsatz umgebaut.
Wie das genau aussieht, hängt vom jeweiligen Produkt ab. Manches gehört praktisch immer dazu, zum Beispiel die Pluralbildung von Wörtern oder das Sortieren von Listen. Anderes ist eher fallspezifisch – wie Währungssymbole oder Adressformate. Einige Aspekte der Internationalisierung scheinen erstmal trügerisch einfach, doch der Teufel steckt im Detail. Die Pluralbildung ist im Englischen vielleicht keine große Herausforderung, aber im Slowenischen beispielsweise gibt es die sogenannte Dualform für Dinge, die genau zweimal auftauchen. Und im Russischen wird nach allen Zahlen, die auf 1 enden, der Singular verwendet – außer nach der 11!
Textrichtung und Layout bedeuten ein weiteres Problem, das Entwickler vor allem in Europa gerne vergessen − bis dann die Lokalisierung ansteht“, ergänzt Hampel. „Dabei geht es nicht nur um Sprachen, deren Schrift von rechts nach links läuft. Japanisch zum Beispiel wird im Allgemeinen von oben nach unten geschrieben − in Spalten von rechts nach links. Wenn japanische Anwender also ein neues Textverarbeitungsprogramm oder eine Grafik-App ausprobieren und dabei merken, dass sie nicht von oben nach unten schreiben können, löschen sie dieses Programm schnell wieder. Anwender in Indien kennen das auch. Bei vielen der mehr als 20 Sprachen in diesem Land folgt die Sprache komplexen Positionierungs-Regeln."
Giorgia Cazzola: „Als Sprach-Dienstleister stolpern wir oft über typische Software-Lokalisierungsfehler. Lokalisierung wird als Teil der Produktentwicklung oft unterschätzt oder sogar komplett ignoriert. Sie ist aber kein separates Thema, um das man sich irgendwann nach der Entwicklungsphase kümmern kann. Richtig und wichtig ist es, sie bereits im gesamten Design- und Entwicklungsprozess zu berücksichtigen. Fehlende Planung und eine fehlerhafte Internationalisierung des Contents vor der Lokalisierung – die Punkte, die Patrick gerade ausgeführt hat – habe ich auch auf meiner Liste.
Generell macht mangelnder Kontext es den Übersetzern nicht leicht, mehrdeutige Begriffe eindeutig zu übersetzen. Auf der eher technischen Ebene gilt das Gleiche für schlecht strukturierte Dateien, aus denen sich oft nur eine Liste nackter Strings generieren lässt – manchmal fehlen sogar aussagekräftige Ressourcen-Identifikationen. Bei den Dateiformaten wird oft vergessen, dass sich einige nicht für die Lokalisierung eignen. Excel ist hier ein klassisches Beispiel. Besser sind Standardformate wie JSON, XML usw. Unicode-UTF-8 ist eine gute Basis zur Visualisierung von Schriften.
Ebenfalls leicht übersehen: Die Lokalisierung der Dokumentation (UA) und der Benutzeroberfläche (UI) sollte in der Hand ein und desselben Dienstleisters liegen, um Konsistenz zu gewährleisten. Und schließlich: Das Gebietsschema der Zielsprachen wird häufig nicht definiert. Gebietsschemata bestimmen die erforderliche Sprachvariante, also zum Beispiel Französisch (Kanada) oder Französisch (Frankreich). Holen Sie sich die Unterstützung eines erfahren Experten und Beraters, auf den Sie sich verlassen können – vom ersten Schritt der Produktentwicklung an und durch den gesamten Prozess hindurch!"
Patrick Hampel: „Hier geht es um Entscheidungen über Erfolg oder Scheitern eines Lokalisierungs-Projekts – daher gilt: Je früher man darüber nachdenkt, desto besser. Beziehen Sie alle Stakeholder in den Lokalisierungs-Prozess ein, auch Projektmanager und Führungskräfte – damit ganz klar wird, wo deren Prioritäten liegen. Nutzen Sie diese Informationen, um Ihre Suche einzugrenzen.
Heutzutage stehen viele Translation-Management-Systeme (TMS) zur Auswahl, und jedes zeichnet sich durch einen ganz eigenen Funktionsumfang aus. Einige Systeme sind für Ihre ganz speziellen Zwecke vielleicht nicht geeignet, weil darin Ihr Dateiformat nicht verarbeitet werden kann“, erklärt Hampel. „Wenn Sie Software für mehrere Plattformen entwickeln, ist die Bandbreite Ihrer Dateiformate wahrscheinlich sehr groß: Ein Format für iOS-Apps, ein anderes für Android-Apps, ein drittes für Web-Anwendungen ... und so weiter.
Indem Sie alle Systeme aussortieren, die nicht Ihren Anforderungen entsprechen, grenzen Sie die Auswahl für die endgültige Entscheidung ein. Mit Technologie-Dienstleistern können Sie im Allgemeinen einen Termin für eine Demo oder eine Testphase vereinbaren – oder beides. Fordern Sie auch konkrete Angebote an – als Vergleichsgrundlage, welches System Ihre Anforderungen am besten erfüllt und den Projekterfolg sichert."
Giorgia Cazzola: „Meine Empfehlung: ein System, das technologisch State-of-the-art ist – mit Translation Memory, Glossaren und Terminologie-Datenbank. Es sollte mit Kontext-Informationen umgehen können, idealerweise auch mit Pluralformen und visuellen Kontext. Stellen Sie sicher, dass es automatische Qualitätskontrollen bietet. Modernste Spitzentechnologien bieten die Grundlage für eine kontinuierliche Lokalisierung, und Ihr Partner sollte in der Lage sein, Ihr CMS und Ihr Software-Entwicklungsprogramm zu integrieren. Der Vorteil: Es wird automatisch eine Übersetzungsanfrage generiert, wenn eine Quelldatei aktualisiert wird. Das verkürzt die Durchlaufzeit.
Achten Sie darauf, dass Ihr Partner skalierbare linguistische Ressourcen und Software-erfahrene Experten bereitstellen kann, eine enge Zusammenarbeit der Lokalisierungs-Manager beider Seiten möglich ist und Linguisten frühzeitig einbezogen werden können, damit sie das Produkt genau kennenlernen. Fokussieren Sie auf einen zentralen Sprachdienstleister mit einem spezialisierten Team, das Teil Ihres unternehmenseigenen Produktlebenszyklus wird.
Es sollte unterschiedlichste Dateiformate verarbeiten und sich auch in Spitzenzeiten flexibel an Ihre Produktionszyklen und Ihre Entwicklungsprozesse anpassen können. Außerdem sollte es mit agilen und klassischen Workflows vertraut sein. Gute Kommunikation ist ein Muss! Ihr Partner sollte in der Lage sein, seine Prozesse und Tools verständlich zu erklären. Zu guter Letzt noch ein Tipp, der besonders viel bringt: Wählen Sie einen Partner, der auch die zielsprachliche Überprüfung mit muttersprachlichen Experten für Sie übernehmen kann!“
Richtig geplant und umgesetzt, befördert Software-Lokalisierung Ihre Expansion enorm. Sie erschließen sich neue Kundenkreise und stärken Ihre Wettbewerbsfähigkeit. Das wiederum steigert Ihren Umsatz. Der Erfolg Ihrer Lokalisierung steht und fällt mit der richtigen Vorbereitung Ihrer Software, ohne Fehler auf der sprachlichen oder der technischen Ebene. Daher ist die Auswahl des richtigen Partners essenziell.