Internationale Apps, die einer möglichst breiten Bevölkerung zugänglich gemacht werden sollen, sind aufgrund der aktuellen Lage in aller Munde.
Unabhängig davon, ob man dafür oder dagegen ist, werfen sie eine interessante Diskussion über die Zugänglichkeit von Inhalten in mehreren Sprachen auf.
Eine App steht und fällt mit der UX
Im Zuge der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie kamen vermehrt Diskussionen um Tracking-Apps und Lokalisierungs-Tools auf. Ein interessantes Feld für Datenschützer und Politiker, die in manchen Ländern sehr schnell, in manchen mit mehr Vorbehalt Apps ins Leben riefen, die im Idealfall für die gesamte Bevölkerung zugänglich sein sollten. Abgesehen von der ethischen Diskussion ist dieses Phänomen jedoch auch aus Sicht der Übersetzungsindustrie interessant, denn die Verfügbarkeit einer App in unterschiedlichen Sprachen spielt dabei keine unwichtige Rolle.
In Südkorea, so schreibt die Süddeutsche Zeitung, habe es zunächst Probleme bei der Handhabung durch die Bevölkerung gegeben, da die Tracking-App ihre Benachrichtigungen nur auf Koreanisch verschickte. Touristen, fremdsprachige Geschäftsleute, Zugewanderte wussten so schlicht nicht, was zu tun oder zu lassen war. Wurde dieses Manko offensichtlich rasch korrigiert und die App auch auf Englisch angeboten, zeigt dieser Fall doch weit über die aktuelle Lage hinaus exemplarisch auf, wieviel eine gute User Experience im Extremfall wirklich bedeuten kann.
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Nachteile fehlender Lokalisierung
Fachfremde Personen mögen UX als Design-Schnickschnack belächeln oder glauben, es handele sich um Fragen, die allenfalls die Marktführer unter den Apps und Webseiten interessieren, die nicht wissen, was sie noch an ihrem Produkt verbessern sollen. Doch gerade am Beispiel der App-Lokalisierung lässt sich gut ausmalen, was eine minderwertige UX, will heißen: fehlende oder mangelhafte Übersetzung bedeuten kann.
- Fehlende Sichtbarkeit: wer seine App nur auf Englisch anbietet, schließt sich unter Umständen selbst von einem Listing in französischen, spanischen, deutschen, italienischen usw. App-Stores aus. Weniger Sichtbarkeit bedeutet weniger Downloads.
- Erschwerte Akzeptanz bei Usern, ggf. sogar Abbruch der Nutzung oder Löschen der App. Dies trifft insbesondere bei Finanz-Apps oder solche mit integrierten Käufen zu. Selbst wenn ein nur auf Englisch verfügbarer Beschreibungstext den Nutzer vielleicht nicht abschreckt, endet die Toleranz oft, wenn die eigenen Bankkonten mit einer App verwaltet werden sollen, die die eigene Sprache und Landeswährung nicht kennt, wenn Bezahlvorgänge so getätigt werden sollen oder man sich über lokale Datensicherheit informieren möchte.
- Selbst bei weniger kritischen Transaktionen, wo es zum Beispiel nur um Restaurantempfehlungen oder örtliche Fahrpläne geht, riskiert man als App-Anbieter schlechtere Bewertungen als nötig, wenn Inhalte nur in Landessprache zugänglich sind. Positive Bewertungen hingegen sind unabdingbar für ein gutes Ranking im App-Store.
Eine App sollte also immer lokalisiert werden. Worauf gilt es, dabei zu achten? Wir haben mit Frederik Vollert, dem Mitgründer von Phrase gesprochen. Das Unternehmen bietet Lösungen zur Vereinfachung des Lokalisierungsprozesses von Apps an.
Eine App richtig übersetzen - So geht's
„Früher wurde an die User Experience oft zum Schluss gedacht, heute wird sie zum Glück meist von Anfang an in die Entwicklung integriert. In modernen Software-Entwicklungsteams erfordern die agilen Methoden ein hohes Maß an Synchronisation zwischen Produktdesign, Texterstellung, Übersetzung und Entwicklung. Phrase hilft an diesem Schnittpunkt, damit Lokalisierungsprozesse gut abgestimmt ablaufen können.“
Das Wort „Lokalisierung“ kann in Bezug auf Apps oder Webanwendungen zwei unterschiedliche Bedeutungen haben:
Geo-Lokalisierung. die Ortsbestimmung, an dem das Endgerät oder ein beliebiges Ziel sich befindet. |
Lokalisierung im Sinne von Anpassung an Landessprache und kulturelle Gegebenheiten. Anders als die simple Übersetzung schließt die Lokalisierung dabei auch Design-Elemente und kulturelle Referenzen ein. |
Die erste Herausforderung bei der Übersetzung von Apps liegt also im Projektmanagement und bei der Prozess-Koordinierung. Doch damit ist es nicht getan. „Man muss ebenso die kulturelle Komponente beachten“, führt Vollert weiter aus. „Produkte, Dienstleistungen und Apps funktionieren nicht in jeder Kultur auf die gleiche Weise. Möglicherweise müssen visuelle Marker und das Design angepasst werden und natürlich ist eine Benutzeroberfläche, die sich lokal anfühlt, für den Erfolg auf einem Markt entscheidend.“ Zwar lässt sich aus UX-Sicht eine zunehmende Standardisierung der internationalen Gewohnheiten beobachten, doch sind Leserichtung, Farbsymboliken, Referenzen oder externe Links nach wie vor je nach Land unterschiedlich. Solche Parameter müssen schon im Stadium der Konzeption mit einbezogen werden.
Etwas einfacher zu beheben, aber viel häufiger ist eine weitere Besonderheit bei der Lokalisierung von Apps: die unterschiedliche Wortlänge in verschiedenen Sprachen. Vollert dazu: „Auf der technischen Seite kann viel schief gehen. Software ist hochgradig standardisiert, aber dennoch ist das Aufbrechen von Layouts oder Funktionen, zum Beispiel durch die Übersetzung von Platzhalternamen oder das Aufbrechen computerlesbarer Formate, bei Lokalisierungsprozessen recht häufig.“
Viele technische Texte werden zum Beispiel zunächst auf Englisch produziert, sind in der Übersetzung ins Deutsche, Französische oder Italienische mitunter 15-20% länger. Um zu verhindern, dass der Benutzer der App am Ende nur vor Satzbruchstücken sitzt, lassen sich einerseits Buttons und Textfelder responsiv gestalten, andererseits bieten auch Lokalisierungslösungen eingebaute „Stopps“ nach einer bestimmten Satzlänge bei der Übersetzung. Darüber hinaus müssen die Übersetzer entsprechend gebrieft werden, damit die oft kurzen Textformen eingehalten werden und der Sinn verständlich bleibt. Das andere Szenario, das Vollert beschreibt, das „Aufbrechen“ von Funktionen, kann passieren, wenn bei der Übersetzung Klammern oder HTML-Tags versehentlich mit übersetzt werden, die dann statt bestimmt Befehle auszuführen nur Wort- und Designsalat ergeben.
Checkliste zur Lokalisierung von Apps
Zusammengefasst sollten man also drei Dinge bei der Lokalisierung seiner App beachten:
1. Von Anfang an international denken und alle beteiligten Teams mit in die App-Gestaltung einbeziehen: Entwickler, Product Owner, UX-Designer, Übersetzungsexperten. Dies können Freelancer, aber auch professionelle Agenturen sein, die mit vergleichbaren Projekten Erfahrung haben. |
2. Kulturelle Besonderheiten beachten: Piktogramme und Farben müssen verständlich sein, das Text-Bild-Verhältnis sollte stimmen. Datenschutzbestimmungen oder externe Faktoren können das Design ebenso beeinflussen, das gegebenenfalls zusätzliche Seiten geschaffen oder angepasst werden müssen. |
3. Technische Lösungen zu Hilfe nehmen, bei denen App-Lokalisierung und Übersetzung integriert sind: Begrenzung der Zeichenzahl, automatische Erkennung von HTML-Tags und die Vorschau auf Features gehören dabei zu den klassischen Tools. |
In jedem Fall gilt: Lieber einmal zu viel lokalisieren als einmal zu wenig. Frederik Vollert von Phrase.com formuliert es so: „Wir sehen viele Kunden, die auf Märkten erfolgreich sind, die sie zunächst gar nicht auf dem Schirm hatten. Das funktioniert nur über die Internationalisierung der Strategie und Lokalisierung der App-Inhalte.“