Ohne Zweifel, Ausschreibungen für Übersetzungsprojekte (Requests for proposals, RFP) sind nicht nur für Kunden, sondern auch für Dienstleister, die ein Angebot abgeben, sehr ressourcenintensiv. Es gibt viele gute Gründe, einen RFP-Prozess durchzuführen, aber es muss nicht immer nach „Schema F“ sein.
Gerade ist wieder „RFP-Saison“ und die sich abzeichnende Rezession wird sich auch auf die Lokalisierungsbudgets auswirken. Da ist es umso wichtiger, die Kosten im Griff zu behalten − aber ohne Abstriche bei der Übersetzungsqualität. Doch wie lassen sich die Abläufe optimieren, wenn der RFP-Prozess nicht selten langwierig ist?
Jetzt ist ein guter Moment für neue Ansätze: Was sich im RFP-Prozess bewährt hat, sollte mit neueren Wegen der Talentsuche kombiniert werden. Genau das haben wir getan.
Sie finden hier einige Tipps, wie Sie Ihre RFPs für Übersetzungsprojekte künftig ganz neu aufziehen. Damit werden Sie schnellere datenbasierte Entscheidungen treffen können und besser durch die Krise kommen.
1 - Speed-Dating
Manche Unternehmen haben ein Schnellausschreibungssystem implementiert und senden möglichen Partnern eine kurze Informationsanfrage (Request for Information, RFI) zu. Stakeholder erstellen ein einseitiges Anforderungsdokument, das ihre wichtigsten Herausforderungen und den Hauptbedarf kurz skizziert. Bei einem anschließenden Video-Meeting werden den Anbietern weitere Fragen gestellt, die sie in einer vorgegebenen Redezeit beantworten müssen.
So sehen die Kunden ein Gesicht und eine Person und haben Gelegenheit, sich von der Authentizität und Vertrauenswürdigkeit der Anbieter zu überzeugen.
Je nach Projektumfang kann der Auftrag entweder direkt im Anschluss vergeben werden, oder die Ausschreibung wird mit einer kürzeren Anbieterliste fortgesetzt.
2 - Pre-RFP-Meeting
Wenn die Shortlist möglicher Partner feststeht, laden Sie jeden Anbieter zu einem persönlichen Pre-RFP-Meeting ein. Bei diesem Treffen machen sich die Dienstleister mit Ihren Teams, Prozessen und der Technologie, mit der Sie aktuell arbeiten, sowie mit Ihrer Geschäftskultur vertraut.
Beim eigentlichen RFP können die Anbieter ihr Angebot dann wesentlich zielgenauer auf Ihren Bedarf und Ihre Anforderungen ausrichten, denn sie kennen jetzt Ihre spezielle Situation. So vermeiden Sie im weiteren Verlauf möglicherweise häufige Rückfragen.
3 - Proof of Concept (PoC)
Eine weitere Alternative ist der sogenannte Proof of Concept (PoC). Ein PoC reduziert Risiken. Aber es ist noch dazu ein Weg, um von neuen, innovativen Technologien oder Dienstleistungen zu erfahren, ob und welche Mehrwerte sie bieten, und wie sich diese in Zahlen ausdrücken lassen.
Der iterative Ansatz eines solchen PoC erlaubt eine Form der Zusammenarbeit und Innovation, die bei einem klassischen RFP so nicht möglich ist. Das holt auch weitere wichtige Stakeholder in Ihrem Unternehmen ab und überzeugt sie von den Vorteilen einer Veränderung.
4 - Leistungsumfang
Schicken Sie ausgewählten Anbietern eine Leistungsanforderung (Scope of Work, SOW), in der Sie Ihren Bedarf detailliert schildern. Bitten Sie um ein kreatives, an die SOW angepasstes Angebot.
Erstellen Sie eine Vorlage: Einheitlich strukturierte Antworten erleichtern den späteren Vergleich. Geben Sie den Anbietern für ihre Antworten aber auch größtmögliche Freiheit. Lassen Sie sie selbst entscheiden, welche Angaben sie ergänzen möchten.
5 - Reverse-RFP
Ein Schritt im traditionellen RFP-Prozess ist das sogenannte Q&A, bei dem Anbieter Gelegenheit erhalten, Ihnen Fragen zu stellen, um ihr Angebot besser auf Sie abzustimmen. Probieren Sie doch hier etwas Neues aus und stellen Sie den Prozess auf den Kopf: Machen Sie das Q&A zu Ihrem RFP!
Bitten Sie ausgewählte mögliche Partner, Ihnen maximal zehn Fragen dazu zu stellen, wo der Schuh drückt und was Sie genau brauchen. Das anschließende Angebot sollte Ihnen dann eine Lösung präsentieren.
6 - Video-RFP
Sie möchten E-Learning-Inhalte, Marketing-Content oder sogar Websites und Apps übersetzen lassen und sind auf der Suche nach besonders kreativen Lokalisierungspartnern? Dann braucht ein Anbieter womöglich andere Wege als das klassische PDF- oder Word-Format, um sich auf diesem Gebiet als kompetent zu präsentieren.
Bitten Sie die Anbieter doch zum Beispiel, als Antwort auf Ihr RFP ein 10-minütiges Video zu drehen, in dem sie ihre ganz eigene Story erzählen. Dabei sollten sie so kreativ wie möglich werden, sich aber auch an die Vorgaben hinsichtlich der geforderten/vorgeschlagenen Themen und der Videolänge halten.
Zu guter Letzt
Natürlich weiß niemand, was die Zukunft tatsächlich bringt. Aber sollte eine wirtschaftliche Rezession heraufziehen, wird die Lage für Unternehmen nur noch herausfordernder. Beachten Sie, dass in die Frage, welcher Anbieter ein guter Übersetzungspartner für Sie ist, auch Faktoren wie Bescheidenheit, die Bereitschaft, Unsicherheiten mitzutragen, und eine schnelle Anpassungsfähigkeit mit hineinspielen.
Sie möchten mehr über Best Practices und erprobte Strategien für die Planung eines RFP wissen, damit Sie Ihre Geschäftsziele erreichen und Kosten sparen? Dann lesen Sie unseren umfassenden Leitfaden für die erfolgreiche Ausschreibung von Übersetzungsprojekten.